Steuergeschenke für Heuschrecken – großzügige Gesetze und maßlose Manager
Anmoderation
Anja Reschke:
Beim Begriff Heuschrecke – denken Sie da noch an die Tiere? Oder an gierige Finanzinvestoren, sogenannte Private Equity-Gesellschaften?
Es war Franz Müntefering, inseiner Zeit als SPD-Parteivorsitzender, der diesen Begriff geprägt hat, indem er diese Firmen mit einer alles kahl fressenden Heuschreckenplage verglichen hatte. Interessant aber, dass die SPD diese Tierchen in Wahrheit immer fleißig gefüttert hat mit üppigen Steuergeschenken, die Münteferings Genosse, SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, jetzt sogar noch mal erneuern will.
Tamara Anthony, Thomas Berndt und Sonia Mayr über großzügige Gesetze für reiche Manager.
Ihr Ruf ist miserabel, meist werden sie schlicht Heuschrecken genannt. Die Sprecherin der Private Equity-Branche und einer ihrer Manager. Das miese Image der Finanzinvestoren – alles nur ein Kommunikationsproblem, so ihre zurechtgelegte Botschaft.
O-Ton
Dörte Höppner,
Bundesverband Private Equity:
„Sie werden alle mehr auf jeden Fall von Private Equity in Zukunft hören, weil wir wissen, dass Private Equity gut für die deutsche Wirtschaft ist, und dass es aber auch ein sehr erklärungsbedürftiges Produkt ist.“
Ein „erklärungsbedürftiges Produkt“, weil es häufig ein Ziel verfolgt: In Unternehmen investieren, um schnell den größtmöglichen Profit heraus zu quetschen. Der Chemieproduzent Cognis in Düsseldorf. Hier hat der Private-Equity-Investor rund 850 Mio. Euro herausgezogen. Übrig bleibt: ein Schuldenberg von 2 Milliarden. Von Firmenteilen, die zu wenig Gewinn bringen, trennten sich die Manager.
O-Ton
Thomas Hergarten,
Betriebsrat Cognis:
„Diese Trennung geht natürlich einher mit Trennung auch von Mitarbeitern, von Arbeitsplätzen, was aus unserer Sicht auch immer sehr schmerzhaft ist.“
O-Ton
Prof. Lorenz Jarass,
Wirtschaftswissenschaftler:
„Durch Private Equity werden im großen Umfang Arbeitsplätze abgebaut. Das ist der erste Punkt, der sicher ist. Und der zweite Punkt ist, die aufgekauften Unternehmen werden massiv verschuldet.“
Und Private Equity-Manager werden fürstlich entlohnt. Sie gehören zu den absoluten Top- Verdienern. So wie Klaus Esser, früher Vorstandsvorsitzender von Mannesmann, heute beim Finanzinvestor General Atlantic. Oder Ernst-Moritz Lipp, ehemaliger Vorstand der Dresdner Bank, heute beim Finanzinvestor Odewald und Company. Oder auch Dr. Dieter Vogel, früher Vorstandsvorsitzender bei Thyssen Krupp, heute beim Investmenthaus Bessemer, Vogel und Teichel.
O-Ton
Prof. Lorenz Jarass,
Wirtschaftswissenschaftler:
„Dass, was deutsche DAX-Vorstände verdienen, ein bis fünf Millionen Euro typischerweise, sind die berühmten Peanuts, verglichen mit dem, was die Private Equity-Manager verdienen.“
Er ist ein Urgestein der Deutschen Wirtschaft: Edzard Reuter, bis 1995 Manager bei Daimler-Benz. Zwei bis dreistellige Millionen-Verdienste: Schwer verständlich – auch angesichts der Debatte um soziale Gerechtigkeit.
O-Ton
Edzard Reuter,
ehemaliger Manager Daimler-Benz:
„Wir sind jetzt in Gefahr tatsächlich, dass Arm und Reich immer stärker auseinander klaffen und dass das dann eben außerdem noch durch den Staat durch Steuergesetzgebung, falsche Steuergesetzgebung, gefördert wird.“
SPD-Finanzminister Steinbrück. Schon seit Jahren fördert er die Branche. Nun soll es jedes Jahr rund 460 Mio. Euro zusätzlich geben. Steuergeschenke, auch für Topmanager. Schon heute kassieren viele von ihnen die Hälfte ihres Hauptverdienstes, ihres Erfolgshonoras völlig steuerfrei. Der Satz wird leicht abgeändert, das Privileg soll im Gesetz erhalten bleiben.
O-Ton
Prof. Lorenz Jarass,
Wirtschaftswissenschaftler:
„Es gibt keinerlei Grund, warum das Honorar von Fondinitiatoren anders behandelt werden sollte, wie der Gewinn eines Bäckermeisters. Dem Bäckermeister nimmt man 45% plus Solidaritätszuschlag als Spitzensteuersatz ab. Diesem Investment-, diesem Fondsmanager, diesem Private-Equity-Manager, der das geschickt einfädelt, der braucht sein Honorar nur zur Hälfte zu versteuern. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.“
Gerechtigkeit, Moral? Danach fragen wir die Sprecherin der Investoren im Interview. Irgendwann redet sie dann Klartext. Leistung muss sich eben lohnen.
O-Ton
Dörte Höppner,
Bundesverband Private Equity:
„Ich stell mir doch keine moralischen, also ich mein’, privat stell ich mir schon moralische Fragen, ja aber, in dem Zusammenhang finde ich die Frage irgendwie völlig fehlplatziert. Wirklich, also, das macht irgendwie so’n Ding auf, die Reichen werden immer reicher. Ich meine, die Reichen, manche Reiche, wie die Private Equity-Manager, die bringen einfach auch wahnsinnig viel Wachstum. Also, die haben diesen Gewinn, den Kapitalertrag, ja, den haben die auch verdient.“
O-Ton
Edzard Reuter,
ehemaliger Manager Daimler-Benz:
„Ich gönne ja allen Beteiligten das Geld, aber es muss ja irgendwo auch unter dem Gesichtspunkt Steuergerechtigkeit irgendeinen Sinn haben, und das hat es nicht. Es hat also nichts damit zu tun, dass die Herrschaften viel oder wenig Geld verdienen, sondern, dass sie gleich behandelt werden mit jedem anderen Menschen, mit jeder anderen Bürgerin und Bürger dieses Landes auch. Und das ist nicht der Fall.“
O-Ton
Dörte Höppner,
Bundesverband Private Equity:
„Also, ich hatte echt den Eindruck, dass Sie ein ganz ausgewogenes Stück machen und jetzt ist es doch ein Stück, irgendwie, Private Equity-Manager zocken Deutschland ab und grasen Deutschland ab und irgendwie Steuergeschenke für die Superreichen, und das finde ich eben schade.“
Bericht: Tamara Anthony, Thomas Berndt, Sonia Mayr
Kamera: Torsten Lapp
Schnitt: Philine Bohmann
Abmoderation
Anja Reschke:
Tja, einseitige Steuergesetze fordern eben auch deutliche Berichte.