Steuergeschenk für Heuschrecken
Bericht: Sascha Adamek, Kim Otto
Sonia Mikich: „Also noch einmal: der deutsche Fachminister gibt auf, wenn Billionen an Wagniskapital um den Globus kreisen. Sie haben es gerade gehört: ‚Was soll ich machen angesichts der Globalisierung…‘ Andererseits macht Peer Steinbrück doch: Dicke Steuergeschenke. Ausgerechnet für die Finanzinvestoren.
Kim Otto und Sascha Adamek über Stoff für noch mehr Heuschrecken.“
Viele Jahre brummte hier das Geschäft. Die Rinol AG im schwäbischen Renningen war Marktführer für Industriebodenbeläge. Ein Familienunternehmen mit einst 2.000 Beschäftigten. Der Chemie-Ingenieur Hilmar Blaesner war einer von ihnen:
Hilmar Blaesner, ehem. Rinol-Angestellter: „Als ich das erste Mal hier durchgelaufen bin, habe ich Gänsehaut bekommen ob der wirklich katastrophalen Situation. Was wir hier sehen, sind die letzten Reste von drei- bis vierhundert Tonnen übrig gebliebenem Baustellenmaterial und Produkten der Rinol AG.“
2001 geriet Rinol in Geldnot. Damals arbeiteten hier noch 300 Leute. Als Retter boten sich ein Hedgefond und eine Investmentbank an. Damals hatte Rinol 37 Millionen Euro Schulden bei den Gläubigern. Denen kauften die Fonds die Kredite ab. Für gerade mal 8 Millionen. Das jedoch nutzte Rinol wenig. Denn die 37 Millionen Altschulden wurden dem Unternehmen von den Fonds gleich wieder aufgebrummt. Die Zinslast wurde immer größer. Dann das Aus.
Der Stuttgarter Anwalt Brun-Hagen Hennerkes sitzt in zahlreichen Aufsichtsräten von Unternehmen. Seit vielen Jahrzehnten berät er die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft. Auch den Rinol-Niedergang hat er persönlich erlebt. Er beobachtet häufig das gleiche Muster, wenn sich Beteiligungsgesellschaften wie Hedge- oder Private-Equity-Fonds über deutsche Unternehmen hermachen.
Prof. Brun-Hagen Hennerkes, Unternehmensberater: „Die Problematik liegt darin, dass aus dem Unternehmen flüssige Mittel herausgenommen werden. Die Unternehmen müssen dann eine höhere Zinslast tragen und außerdem drücken viele Private-Equity-Gesellschaften unqualifizierte Manager in das Unternehmen und das ist so, als wenn ein Krankenpfleger, der den Patienten in den Operationssaal rollt, anschließend die Herzoperation vornimmt. Das kann nur schief gehen.“
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück: Auf internationaler Bühne fordert er Regeln für mehr Transparenz von Beteiligungsgesellschaften. Gleichzeitig brachte er letzte Woche einen Gesetzentwurf ins Kabinett ein, der ausgerechnet diese Beteiligungsgesellschaften finanziell besser stellt. Danach müssten ausländische Fonds, die deutsche Firmen kaufen, rechtsverbindlich keine Steuern mehr zahlen. Offiziell will die Bundesregierung damit nur kleinen und jungen Unternehmen helfen, ausländisches Kapital zu beschaffen. Laut Gesetzentwurf Firmen, deren Eigenkapital kleiner als 20 Millionen Euro ist und die nicht älter als 10 Jahre sind.
Das hält der Steuerrechtsexperte Professor Lorenz Jarass aber für ein milliardenschweres Steuergeschenk und eine Mogelpackung.
Prof. Lorenz Jarass, Steuerexperte: „Damit würde der Aufkauf des Großteils der deutschen mittelständischen Firmen steuerlich privilegiert werden, aber nur, wenn sie von ausländischen Fonds aufgekauft werden. Diese Fonds werden dann für ihre Gewinne ganz steuerbefreit. Wenn das Unternehmen mehr als 20 Millionen Eigenkapital haben sollte, kann man durch Aufspaltung das Eigenkapital verteilen. Wenn das Unternehmen mehr als 10 Jahre alt sein sollte, kann man es neu gründen.“
Die Bundesregierung gibt mit dem Plan dem Druck der Fond-Lobby nach. Das Problem: auch deutsche Unternehmen könnten massenhaft mit ihrem Kapital in ausländische Beteiligungs-Fonds flüchten, weil auch sie dann Steuern sparen. Das Bundesfinanzministerium selbst hat errechnet, wie viele Einnahmen dabei dem Staat maximal entgehen könnten. In einem Schreiben ist von einem Steuerausfallpotenzial von 15 bis 20 Milliarden Euro die Rede.
Nur wenige Abgeordnete im Bundestag haben von dem geplanten Steuergeschenk etwas mitbekommen. Der finanzpolitische Sprecher der SPD kritisiert angesichts der aktuellen Finanzkrise, dass Beteiligungsgesellschaften in diesem Umfang begünstigt werden.
Reporter: „Warum sollten Beteiligungsgesellschaften nicht steuerlich privilegiert werden oder befreit werden?“
Ortwin Runde, Finanzpolitischer Sprecher SPD-Fraktion: „Die Frage ist, was bringt es für das Gemeinwohl? Was bringt es für die Firmen? Steuerliche Privilegien sind nur zu vertreten, wenn positive wirtschaftliche Effekte zu erwarten sind. Das ist bei der kurzfristigen Interessenlage von Beteiligungsgesellschaften bei den Firmen nicht der Fall. Insofern kommt das nicht infrage.“
Die geplante Steuerbefreiung hätte auch für eine Übernahme der schwäbischen Rinol AG gegolten. Nach allem, was Hilmar Blaesner mit Hedgefonds erlebt hat, für ihn ein Hohn.
Hilmar Blaesner, ehem. Rinol-Angestellter: „Also solche Unternehmen sollten überhaupt keine Steuernachlässe bekommen oder Steuergeschenke. Das sind reiche Leute, die viel Geld investieren, um Arbeitern und Unternehmen den Garaus zu machen. Für mich sind die Heuschrecken das größte Übel in der globalisierten Welt.“